Peter Ablinger (1959–2025)

Neue Musik Rümlingen, etwa Mitte der 1990er Jahre: Der Aufbruch zum Konzert erfolgte um etwa 3 Uhr morgens, galt es doch zunächst, einen Berg zu erklimmen. Oben angekommen, auf einem Hochplateau, war zunächst gar nichts zu sehen, es war ja stockdunkel. Peter meinte aber in seinem Text zum „Konzert“, es sei zwar wissenschaftlich nicht erwiesen, aber dennoch eher wahrscheinlich, dass zum Zeitpunkt des Sonnenaufgangs aus Richtung der Sonne ein ganz leichter Wind käme, weswegen er in sechs Blumentöpfen sechs kleine Bambuspflanzen in einer Reihe, zur Sonne hin ausgerichtet, aufgestellt hatte. Käme nun also zur Sonnenaufgangszeit besagter Wind aus Richtung Sonne, würden die Bambusstauden ein kleines, eventuell kaum hörbares, Rauschen von sich geben. Es war dann zwar an diesem Morgen aus unserer Hörposition kein Rauschen zu vernehmen (das mag aus anderen Hörpositionen durchaus anders gewesen sein), die Vorstellung aber, dass das so sein könnte, hat sehr wohl funktioniert. Die Institution „Konzert“ solcherart zu hinterfragen, das scheint mir eine geradezu beispielhafte Versuchsanordnung, die sich quer durch Peter Ablingers Werk zieht.
Befragt wird da an anderer Stelle die Form des „Liederabends“, in Voices and Piano, wo eine Sprechstimme im Original via Lautsprecher erklingt und quasi simultan vom Pianisten in Klavierklänge übersetzt wird. Bis hin zur großen Oper, wie jener in Graz oder der Landschaftsoper Ulrichsberg – wo es dann gleich um nicht weniger als die kreative Neudefinition der Musikform Oper geht. Ganz zu schweigen von der Reihe weiss/weisslich, einer Vielzahl eher installativer Arbeiten, die per se schon ein wenig Abstand zur musikalischen Darbietungsform haben. Und all das immer begleitet von verbal penibel ausformulierten Texten und visuell unterstützt von kleinen, skizzenartigen Zeichnungen.
Ablinger hat das Musikmachen sehr weit gefasst, es zunächst gewissermaßen von bestehenden Gewohnheiten befreit und dann teils komplett neu aufgestellt. In diesem Sinne: „Dienst nach Vorschrift“ war ihm fremd. Ein ständiges kreatives Neudeuten und Neuhinterfragen von Musik, das war sein Betätigungsfeld.
Im Akt 1 der Landschaftsoper, dem Arboretum, einem klingenden Baumgarten auf einer Anhöhe nahe Seitelschlag in Ulrichsberg, ging es z. B. darum, 20 verschiedene Baumarten solcherart in bestimmten Abständen zu einem Weg zu pflanzen, dass sie, wenn sie dann in etwa 30 Jahren erwachsen sind, aufgrund ihrer verschiedenen Lautstärken vom Weg aus in etwa gleicher Intensität zu hören sein werden. Zugleich ging es darum, die 20 Bäume so zu positionieren, dass sie von einem bestimmten, etwa 800 Meter entfernten Punkt in einer Reihe in etwa gleichen Abständen aufgefädelt erscheinen. Akustisches und Visuelles werden hier also elegant verknüpft. Mitten in den monatelangen Bemühungen rund um diesen Balanceakt meinte Ablinger einmal: „DAS ist komponieren!“
In der Nacht vom 16. auf den 17. April 2025 ist Peter Ablinger verstorben. Es ist kein Jahr her, dass er mir von seiner ALS-Diagnose erzählte. Trotz all der damit verbundenen Tragik und sozusagen im Angesicht des nahenden Endes arbeitete er noch intensiv an der Sicherung seines künstlerischen Nachlasses. Einen guten Einblick in sein Schaffen bietet deswegen nach wie vor und wohl auch weiterhin seine Webseite ablinger. mur.at sowie, dank der Berliner Akademie der Künste, das Peter-Ablinger-Archiv: archiv.adk.de/bigobjekt/30948.
Peter Ablinger war ein freundlicher, liebenswürdiger und humorvoller Mensch. Und auch wenn sein Werk nun gut dokumentiert erhalten bleibt: Peter wird unendlich fehlen, in jeder Hinsicht, als Künstler, als Mensch, … Ciao, Peter!