Biennale Musica, 11. bis 25. Oktober, Venedig
Caterina Barbieri, die neue Intendantin der Biennale Musica Venezia, verwandelte die Stadt in einen vibrierenden Kosmos zeitgenössischer Klänge. Dem alteingesessenen Publikum wurde unter dem Leitmotiv La Stella Dentro (LSD) mehr ein konzeptionelles, kosmisches Rave geboten als ein „traditionelles“ zeitgenössisches Musikfestival der Avantgarde. Das Festival mutiert vom musikalischen zum politischen Forum. Barbieri, selbst Komponistin und Soundkünstlerin, verstand es mit ihrer Programmierung hervorragend, eine neue Ära einzuleiten, ohne das etablierte Publikum gänzlich zu vertreiben und trotzdem neues zu generieren. Die Veranstaltungen, mehr Events denn Konzerte, zogen entsprechend junges Publikum an.
Den Goldenen Löwen erhielt Meredith Monk, eine Ikone der avantgardistischen Musik, die mit ihrer visionären Stimmkunst Maßstäbe setzt. Ein fulminantes Live-Konzert im Teatro Malibran und eine überzeugende Sound-Video-Installation im Arsenale manifestierten dies. Elysia Chuquimia Paula Crampton alias Chuquimamani-Condori, Gewinnerin des Silbernen Löwen, verbindet indigene Aymara-Traditionen aus Bolivien mit digitalen Technologien und Clubkultur und spiegelt somit den integrativen Grundgedanken der Biennale „Klang durch kosmische Kraft“ wider. Beeindruckend die musikalische Prozession von Booten durch die Kanäle Venedigs, die in einem Live-Konzert im Arsenale mündete, ein Auftragswerk der Biennale.

Klang, Raum und Bewusstsein mündeten auch bei Luka Aron in eine „Ekstase des Hörens“, ein durchaus sinnliches Erlebnis. Im leergeräumten Teatro delle Tese baute Aron mit dem Werk up in the bell tower gesampelte Glockenaufnahmen zu einer an- und abschwellenden, elektronischen, kosmischen, an manchen Stellen übermäßig lauten, körperlich spürbaren Klanglandschaft mit entsprechender Lichtperformance. Fast unerträglich, aber durch die poetisch-technische Qualität eine neue Hörerfahrung. Hingegen könnte man das Konzert des österreichischen Altmeisters der elektronischen Musik, Christian Fennesz, fast schon klassisch nennen. Mit Venice, aufgenommen 2004 in Venedig, bringt er eine akustische Reflexion über Vergänglichkeit, Verfall, Tod und Wiedergeburt auf die Bühne – technisch mit einigen Hürden, aber durchaus eindrucksvoll.
Neu bei der Biennale Musica ist die Einrichtung des LSD Centre im Arsenale. Ein Treffpunkt und offener sozialer Raum für Gespräche, Soundinstallationen und Begegnungen der Community. Auch wenn der Zugang noch zu optimieren ist, hat sich das Zentrum bereits bewährt und wird sicher in den nächsten Jahren weitergeführt. Der Konnex mit halluzinogenen Stoffen als Begleiterscheinungen der Community sei hier hintangestellt. Vielmehr deutet der Titel La Stella Dentro – Der Stern in uns auf die Verbindung zwischen Kosmos und Individuum hin. Somit stehen Freude und Neugier auf die kommende Biennale Musica 2026 dank der mutigen Programmierung der neuen Intendantin Caterina Barbieri im Vordergrund.
