
Das Duo Duende ist eine eigenwillige Kombination aus Schlagzeug und Harfe. Was schwierig vereinbar klingt, wird live zu einer wunderbaren Symbiose zwischen Folk, Jazz, Impro und pulsierenden Beats. Melis Çom und Flurin Mück geben im Interview Auskunft über ihre Vaneggio, das Suchen nach Kontrasten und über Klangmanipulationen an der Harfe.
Melis Çom hat klassische Harfe studiert, stand bereits mit den Münchner Symphonikern auf der Bühne und hat u. a. auf der Biennale in Venedig und als Solistin in den Kammerspielen München konzertiert. Flurin Mück ist studierter Jazzschlagzeuger und u.a. schon in der Elbphilharmonie und auf der Jazzopen Stuttgart aufgetreten. Er ist festes Mitglied der Bands Dreiviertelblut, Hannah Weiss Group und dem Drum-Trio von Simon Popp. Die beiden bringen Einflüsse mit aus der Klassik, der türkischen Volksmusik, im Jazz-sozialisierter elektronischer Musik und aus ihren Improvisationen.
Die Harfe wurde spätestens mit Joanna Newsoms Album Ys von 2006 auch im popkulturellen Milieu sozialisiert. Das Instrument wird inzwischen nicht mehr nur im volkstümlichen oder kammermusikalischen Kontext bzw. in der experimentellen Neuen Musik verortet. Das Duo Duende geht mit dem Instrument nochmal neue Wege und verbindet Schlagzeug und Percussion mit Harfe. Die Harfe wird bei ihnen live um wenige elektronische Effekte erweitert, die lautmalerisch eingesetzt werden. Gelegentlich werden Töne gefreezed, oder es verdichtet sich im Hintergrund ein Loop.
Von leisen, minimalen, fast flüsternden Tönen über türkische Melodien und klassische Elemente bis hin zur aktiven Unruhe und treibenden rockaffinen Patterns und Beats: Es ist erstaunlich, welche musikalische Bandbreite Melis Çom und Flurin Mück abbilden und wie stimmig sie letztendlich ist. Diese Paarung hat auch eine unmerkliche Reibung in sich, die eine positive subtile Energie generiert. Hier entsteht tatsächlich eine neue, ganz eigene Klangwelt.
Wie habt ihr zueinander gefunden? Wie ist die doch eher ungewöhnliche Kombinaton aus Harfe und Drums entstanden?
Wir kannten uns schon vor Duende über einen gemeinsamen Freund und teilen uns seit Mai 2023 einen Proberaum im FatCat im Gasteig München. Er ist voll mit Harfen, Drums und Mikrofonen. Da eh schon alles nebeneinander stand, haben wir angefangen, zusammen zu spielen, und fanden im anfänglichen Chaos mehr und mehrstimmige Momente zwischen den beiden Instrumenten, um eine kleine Vaneggio (= Fantasie/Spinnerei) zu kreieren. Unser erster Auftritt war an Melis‘ Konzertreihe Harp O‘ Clock in der one and only Cafe Bar Mona (R.I.P.). Es war sehr experimentell, und wir spielten da auch noch eigene Arrangements von Werken aus der Klassik und türkischer Volksmusik. Der eigentlich offizielle Startschuss für das Projekt war dann ein Auftritt bei der Tiny Concert-Reihe von Gerd Baumann im Humboldts München.
Welche Einfüsse fießen in euren Sound ein? Was inspiriert euer Duo?
Konkrete Einfüsse sind die Musik von Bugge Wesseltof, Moritz von Osvald Trio, Svaneborg Kardyb, John Cage. Beide von uns haben zudem Orchestervergangenheit, diese an der Klassik orienterte Klangvorstellung fließt auch mit ein. Neben dem Hören anderer Musik kommt die Inspiration meist durch das gemeinsame Spielen im Proberaum und Improvisationen aufnehmen und anhören. Wir suchen Kontraste aus Flow, Spontanität, Klarheit und Chaos.
Melis, die Harfe ist zum Teil auch etwas elektronisch manipuliert. Welche Effekte nutzt du um welche Stimmungen zu verstärken bzw. zu erreichen?
Die Harfe ist so reich an Klangfarben. Aber nach dem Zupfen der Saite gibt es kaum Möglichkeiten, den Klang weiter zu manipulieren. Darum nutze ich eine Freezepedal, um den Klang zu verlängern und zu verbreitern und ab und zu ein Loopgerät mit eingebauten Effekten wie Phaser und Delay. So kommen zu den sieben Pedalen der Harfe noch ein paar Gitarrenpedale dazu. Oktopus-Style! Ich kann das Pedal nicht immer im exakt gleichen Moment nach dem Zupfen der Saite schlagen, wodurch der Freeze-Efekt auch jedes Mal etwas anders klingt und immer wieder für Überraschungen sorgt.
Wann ist mit einer Albumveröfentlichung zu rechnen?
Zwischen Oktober und November diesen Jahres.
Ist es schwierig, in dieser Konstellation von Harfe/Drums an Gigs zu kommen?
Nein, wir passen beide mit Instrumenten in ein Auto, und jedes Mal finden wir eine bessere Kombination im Equipment-Puzzle. Beim Booking kriegen wir oft interessiertes Feedback, aber da wir als Duo noch sehr unbekannt sind, sind viele auch skeptisch, ob es live funktioniert. Wir sind ja auch eine sehr nischige Besetzung. Umso mehr freuen wir uns über jede Publicity! Im Mai haben wir in Trondheim bei einer Konzertreihe gespielt, wo nur Duos eingeladen waren.
Wie darf man den Namen Duende interpreteren? Als magischen Höhepunkt des Flamenco, im Sinne von „Besessenheit, Hypnose und Enthusiasmus“, oder steht der für die koboldartige Figur? Oder ganz anders?
Das Wort Duende kommt aus dem Flamenco, wir würden es so beschreiben: Beim Duende in der Musik geht es nicht so sehr um den Inhalt der Musik, sondern um die emotionale Intensität und Aufrichtigkeit, mit der sie beim Spielen und Hören empfunden wird. So können ganz einfache Klänge mit viel Duende eine große Wirkung entfalten. Bei großen Komponist:innen wie Ravel liegt Duende schon in der Kompositon. Im richtigen Moment kommt Duende in der Improvisation. „The duende is not in the throat: the duende surges up, inside, from the soles of the feet.“ (Federico García Lorca). Von der koboldartigen Figur haben wir erst an einem unserer Konzerte erfahren. Sebastian Horn von den Bananafishbones, die wir auf vier Konzerten im Kurhaus Bad Tölz und im Münchner Volkstheater begleiten durften, hat es so interpretiert: Was der Tod dir sagt bevor er dich holt: „Du, Ende!“