Hotel Pupik, Scheifling/Murau, 8. bis 10. August

Auch die brütende Hitze kann dem solitären soziokulturellen Treiben in der Schwarzenberg’schen Meierei bzw. im Hotel Pupik nichts anhaben. Der Mix aus bildender Kunst und Musik in anregendem und angeregtem Ambiente macht die Veranstaltung in der hintersten Obersteiermark zum so niederschwelligen wie lustbetonten Ereignis.
Zum wiederholten Mal fehlen dem Autor dieser Zeilen die Kenntnis und das Vokabular zur Beschreibung der bildenden Kunstwerke, gleiches gilt für die Eröffnungsperformance love in the age of loneliness von Johanna Lettmayer. Umso mehr beeindruckt die multimediale Arbeit another place von Tibor Szemzö, der anhand von rund hundert Jahren alten Archivfilmen eine jüdische Familiengeschichte erzählt bzw. in mehreren Sprachen erzählen lässt, die Station zwischen den USA und Ungarn angesiedelt ist und die mit analoger und digitaler Musik unterfüttert. Die Kombination aus sozialer Härte und sanfter klanglicher Ästhetik kulminiert in Szemzös Kunst.
Florin Stanzer & Forrest Moody haben eine sogenannte Parkettorgel gebaut und Holzgerüst mit zwei Blasebalgen ausgestattet. Damit erzeugen sie Monotonie in feinen Nuancen und erinnern so an frühe Arbeiten von Steve Reich und La Monte Young. Einen scharfen Kontrast dazu bildet der Auftritt der Aktivisten des Grazer Café Wolf, einem zentralen Ort für avancierte Musik in kleinem Rahmen. Die aus Profis, Halbprofis und Amateuren bestehende Deaf Or Band übt sich charmant bis holprig an relativ rockigen Sounds. Do it yourself!
Reich an akustischen Großtaten ist der Samstagabend, beginnend mit dem Duo von Gobi Drab & Veronika Mayer. Elektronik, Stimme und Paetzold-Flöte amalgamieren flirrende, schwebende und dunkle Sounds, denen man stundenlang lauschen möchte. An dieser Stelle muss die grenzgeniale Tontechnik von Oliver Brunbauer aka ollmann hervorgehoben werden, der aus allen tonalen Bestandteilen das Maximum herausholt. Das gilt gleichermaßen für das routinierte Klammer/Gründler Duo. Schlagzeug und E-Gitarre, beides Computer-unterstützt und mit behutsamem Einsatz einer KI, formieren Klangwelten, die in ihrer Abstraktion dem Gehör Flügel einbauen. So entsteht eine ganze Flotte an Assoziationen. Am Ende ihres Sets gesellen sich noch die Vokalistin Bettina Wenzel und der Trompeter und Pupik-Hotelier Heimo Wallner dazu.
Ein paar Takte intensiven Singer/Songwritings gehen aufs Konto von The Zew, bevor Sataraxz aus Zagreb die finale Rakete zünden. Eva Badanjak, Ivona Ivković, Tajana Josimović und Tanja Minarik, teilweise bekannt von der Superband Žen, verknüpfen die dreimalige Elektronik mit einmaligen Vocals und avancierten Visuals. Viele Drones und Beats unterwandern das Konzert, bevor sich die Erzähl- zur alles überragenden Gesangsstimme aufschwingt. Da geht das Herz gleichzeitig mit der Gänsehaut auf. Ein später, umwerfender Höhepunkt der polyartistischen Hotel-Pupik-Angelegenheit.
Schlussendlich geht am Sonntagmittag das tradionelle Orgelkonzert in der Murauer Kapuzinerkirche über die sakrale Bühne. Wieder dominieren tiefe Drones im Konzert der Serbin Marina Džukliev, wozu ihr Arnold noid Haberl vis-à-vis am Cello klug assistiert. Der Titel des Konzerts, Flowers We Are, kann sinnbildlich für das gesamte kleine, feine Festival gelten. Alles blüht, und es blüht hoffentlich noch lange, weil es diesen welken, verfaulten gegenwärtigen Zuständen vorbildlich entgegenwirkt. So geht Sozialismus!
