Where Swallows Fly Backwards, Wörth bei Gnas, 16. August

Die Südoststeiermark im Allgemeinen und das eintägige Festival Where Swallows Fly Backwards im Besonderen sind immer eine Reise wert, vor allem Mitte August. Dann lädt Klaus Wohlgemuth samt musikalischer und ungemein freundlicher Familie auf den extrem kultivierten ehemaligen Bauernhof nach Wörth bei Gnas. In entspannter kollektiver Atmosphäre bei individueller Maßgabe der Bezahlung von Eintritt und Efrischungsgetränken haben sich die Schwalben längst ins Herz und ins Hirn graviert.
Vier Konzerte gehen im ehemaligen Stadel über die Bühne, davor, dazwischen und danach macht es sich das Publikum auf der angrenzenden Wiese gemütlich. Für den idealen Auftakt sorgen die local heroes der Fragments of an Empire mit Stil-offenen Postrockanklängen. Konzentriert und leger zugleich funktioniert das gemischt instrumentierte Werkl wie aus einem Guss, gehörige Anschwellungen inklusive.
Was darauf folgt, konnte man sich in der Theorie kaum vorstellen. Die Praxis belehrt uns eines Besseren, wenn die famose Schriftstellerin Natascha Gangl, zweifache Preisträgerin beim Klagenfurter Bachmann-Literaturwettbewerb, auf die ebenso famose Schlagwerkerin Judith Schwarz trifft. Diese Performance brilliert auf nahezu organische Weise, wenn Gangl eine poetische Fantasie über den Staub, das Putzen am Samstag, das Patriarchat und einige thematische Nebenarme zum Besten gibt und Schwarz für jede Passage das passende Ausdrucksmittel findet. Ein haarsträubend schöner Auftritt, der sowohl für gesteigerte Aufmerksamkeit als auch für Zwischenapplaus und Lachsalven sorgt.
Etwas hinter den Erwartungen bleibt Flysch, die Band von Gottfried Krienzer, Michi Eisl, Martin Pfeiffer samt Sängerin Catrin Manoli. Langsam, langwierig und in Summe wenig ergiebig gestaltet sich das Konzert des Grazer Quartetts. Dafür wird man im finalen Auftritt von Innode zu (mindestens) hundert Prozent entschädigt. Stefan Németh lässt seine Elektronik auf Höchsttemperatur brutzeln, und Bernhard Breuer gilt sowieso seit Jahren als der präziseste unter den dynamischen, polyrhthmisch veranlagten Drummern. Gemeinsam öffnet das Duo Zugänge zu einer Vielzahl an akustischen und assoziativen Räumen, hält auch in ruhigeren, schwebenderen Momenten die Spannung und scheint in den rauheren, härteren, losgelösten Phasen zu implodieren. Kurz gesagt: ein Konzert des Jahres!
Wie im Flug segeln die musikalischen Schwalben vorüber. Das ist aber in Wörth nie und nimmer das Signal zur sofortigen Heimfahrt. Die Gemütlichkeit und die Gastfreundlichkeit sind einfach zu verlockend zum möglichst langen Verbleib. Das nächstjährige Comeback ist schon jetzt im Kalender rot markiert.
