Das letzte Jahr ... als Teenager


Klartext und direkte Rede stehen seit nunmehr 19 Jahren in der Absichtserklärung dieser Musikillustrierten. Damit untrennbar verbunden ist der Umstand, dass uns sinnentleerte Virtuosität ziemlich weit am Dings vorbeisegelt. Stattdessen geht es in allen musikalischen Äußerungen, mit denen wir uns intensiv beschäftigen, um den Transport von Energie - koste sie, was sie wolle. Anders formuliert, ist unser Grund der Untergrund. The underground, wie die Britinnen sagen. Der darf auch gern als Subversion des Bestehenden verstanden werden. So gesehen: "Ich mach weiter, als ob nichts gewesen wäre"*

Das stellt sich zwar prinzipiell damals wie heute unverändert dar - obwohl 2024 mit 2005 nicht ganz gleichzusetzen ist. Im Lauf der Spielzeit hat sich doch manches im Arbeitsalltag verändert. Ermüdungserscheinungen: ja, Frustration: nein, Geduld: ja und nein. Aber was wären die Alternativen zum langen Atem? Aufhören? Ruhestand? Eine Rente von 1.000 Euro brutto? Das ist doch ein Quargel. Also weitermachen, aber halt nicht so diszipliniert wie bisher. Immerhin: "Ich hab keine Knochen mehr, dafür Tinte für zwanzig Bücher im Bauch"*

Wir Musikjournalist:innen leben, denken und arbeiten in prekären Zeiten, in denen sich die sogenannte freie Kulturszene zunehmend als alternative Wirtschaftskammer etabliert hat. Sagt ein Freund, der es ja wissen muss. Systemrelevanz wird bis in die Haarspitzen bewiesen, die Erotik der Kritik ist einer gewissen Prüderie gewichen, einem Unvermögen sowieso. Ein Unterschied zur bekanntlich verlotterten Kulturindustrie ist mit freiem Auge nicht mehr erkennbar. "Mach doch mal einer den Kulturkack aus! Ach, geht ja nicht, lass bloß an, bin ja selber drin"*

Und wer stellt - neben der elenden Symbolpolitik; Stichwort: kulturelle Aneignung - eigentlich noch die Macht- und Eigentumsfrage? Sobald sie sporadisch gestellt wird, fahren jene Fraktionen der KPÖ, die sozialdemokratische Politik machen, für die sich die Sozialdemokraten seit Jahren zu schade sind, Erfolge ein. So what? Genügt es, zu sagen: "Wir sind politisch und sexuell anders denkend"*?

Selbst wenn diese Gazette seit bald zwanzig Jahren aufgrund ökonomischer Bedeutungslosigkeit unter dem Radar der Machthabenden in diesem fucking Patriarchat fliegt, kommt es immer öfter zu Zudringlichkeiten eines immer monopolistischer werdenen Kapitalismus und seiner politischen Handlanger. Dazu braucht es noch nicht einmal die Identitären oder einen Vokaki, um uns vorzuschreiben: "Stirb, oder sei wie wir"*

"Dieser Zustand ist nicht tanzbar"* Trotz allem und weil wir nichts Gescheites gelernt haben und uns wenig anderes mehr ans Eingemachte geht als inspirierende Paralleluniversen, Reichtum für alle und erschütternd gute Musik, bemühen wir uns auch weiterhin um "Eine gemeinsame Geschichte aus reiner Gegenwart"*. Carry on.

Wien, am 1. Mai 2024

* alle Zitate aus "Ich-Maschine" und "L'etat et moi", den ersten beiden Platten von Blumfeld